Die Quälgeister der Medienhölle
Prominenz ist die Währung unserer Mediengesellschaft. Die immer gleichen Gesichter verfolgen uns mit ihren immer gleichen Statements Tag und Nacht. Man kann resignieren – oder den Promis mit einer klugen Analyse zu Leibe rücken. Das hat der Autor Jens Bergmann gemacht. Hier stellt er die sechs nervigsten Promi-Prototypen in Steckbriefen vor.
»Jens Bergmann ist ein Kunststück eigener Art gelungen, eine kluge Soziologie des Seichten. Seine Analyse der schönen Oberflächen und der Prominenten-Spektakel liest man zuerst mit einem Staunen, dann mit einem Lachen und zum Schluss mit Entsetzen. Am Ende des Tages geht es, so zeigt dieses Buch gleichermaßen präzise und amüsant, im Geschäft mit den Stars und Sternchen um Aufmerksamkeit und einen großen Sack mit Geld.«
− Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft
Der Experte
Hans-Werner Sinn
Karriere: Vom Akademiker zum Lautsprecher
Markenzeichen: Seemannsbart und Bescheidwissermine
Funktion: Niedergangsprophetie
Geschäftsmodell: Als wissenschaftliche Erkenntnis getarnter Meinungsausstoß in hoher Frequenz
Selbstwahrnehmung: Professor Allwissend
Tatsächliche Leistung: Einer der wenigen Ökonomen, der es geschafft hat, sich einem größeren Publikum bekannt zu machen – auch dank seines Seemannsbarts (vgl. Sascha Lobo)
Nervfaktor: 8 von 10
Die Gummipuppe
Daniela Katzenberger
Karriere: Hoch hinaus dank Unterschichtenfernsehen
Markenzeichen: Zwei Mal 350 Gramm Silikon
Funktion: Karikatur eines Männertraums, die bei Frauen keine Beißreflexe auslöst
Geschäftsmodell: Ich bin so künstlich authentisch.
Selbstwahrnehmung: Sei klug und stell dich dumm.
Nervfaktor: 2 von 10
Die Betroffenheits-Guste
Margot Käßmann
Karriere: Von der Kirchenfunktionärin zur Margarete Schreinemakers des Protestantismus
Markenzeichen: Dackelblick
Funktion: Auf die Tränendrüse drücken
Geschäftsmodell: Von allem und jedem betroffen sein – vor allem von der eigenen Betroffenheit
Selbstwahrnehmung: Patente Power-Pastorin
Tatsächliche Leistung: Produktion von Trivialmoral am laufenden Band
Nervfaktor: 9 von 10
Die Eintagsfliege
Zlatko Trpkovski
Karriere: Vom Automechaniker zum Big-Brother-Star und zurück
Funktion: Schnell verglühende Sternschnuppe am Medienhimmel und Beweis für Andy Warhols These, dass jeder berühmt werden kann – für 15 Minuten.
Geschäftsmodell: Sei du selbst.
Selbstbild: Frech gewinnt.
Tatsächliche Leistung: Rücktritt mit Verve: Nachdem er beim Vorentscheid für den European Song Contest mit seinem Song »Einer für alle« ausgepfiffen worden war, verabschiedete sich Sladdi mit den Worten »Vielen herzlichen Dank, ihr Fotzköpfe!« von der öffentlichen Bühne. Und reparierte wieder Autos.
Nervfaktor: 2 von 10
Der Aufkocher
Johann Lafer
Karriere: Vom Koch zum Multimedienunternehmer
Markenzeichen: Unnatürliches Dauergrinsen
Funktion: Der Steirer sorgt bei Leuten, die nicht selbst kochen können oder wollen, für Ersatzbefriedigung. Parallelen zu anderen Sparten der Erwachsenenunterhaltung sind unverkennbar.
Geschäftsmodell: Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette: von Restaurant und Hotel über das eigene TV-Studio bis zur Helikopter-Firma zur Ausrichtung exklusiver Picknicks.
Selbstwahrnehmung: Einer muss es den Piefkes ja zeigen.
Tatsächliche Leistung: Er beherrscht – im Gegensatz zu vielen anderen Fernsehköchen – sein Handwerk, kommt aber wegen seiner medialen Dauerpräsenz und vielfältigen anderen Aktivitäten nicht mehr dazu, es zu pflegen.
Nervfaktor: 8 von 10
Der Blaublüter
Ernst August Prinz von Hannover
Karriere: Vom Provinzadligen zum Pippi- und Prügelprinzen
Markenzeichen: Leicht erregbar
Funktion: Baut Berührungsängste gegenüber der Aristokratie ab
Geschäftsmodell: Der Volkstümliche unter den Blaublütern
Selbstwahrnehmung: Ich darf das!
Tatsächliche Leistung: Hat das Haus Hannover überregional bekannt gemacht.
Nervfaktor: 3 von 10 – sofern man sich außerhalb seiner Reichweite aufhält.
Über den Autor: Jens Bergmann ist Geschäftsführender Redakteur des Wirtschaftsmagazins »brand eins«. Über sein Buch sagt er: »Noch nie haben sich so viele Menschen so sehr selbst inszeniert wie heute. Mich hat es gereizt, einen Blick hinter die Kulissen des Geschäfts mit der Eitelkeit zu werfen, an dem wir alle beteiligt sind.